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Kranzniederlegung zum Jahrestag des Kriegsendes

Im Mai 2020 hätten große Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsende stattfinden sollen, aber die Corona-Gefahr hat dies leider verhindert.

Solche Daten geben uns aber nicht nur einen Anlass zum Feiern. Wir trauern um unsere Familienmitglieder, die während der Schoah ihr Leben verloren haben. Wir trauern um die ermordeten ehemaligen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde am Michelsberg, deren Namen wir bewußt weiter tragen und deren progressive Ansichten wir weiter leben. Wir trauern um alle Wiesbadener Juden, die erniedrigt, deportiert und umgebracht wurden. Wir trauern um die 6 Millionen Juden, die während der Schoah-Zeit vernichtet wurden. Wir trauern um 27 Millionen Menschen, die dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen sind.

Zum Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus hat unsere Gemeinde zum 75. Tag des Kriegsendes eine Kranzniedelegung in der Gedenkstätte am Michelsberg organisiert.

Es war eine bewegende Veranstaltung:

Die Musik aus dem Film „Schindlers Liste“ läuft. Die ältesten Gemeindemitglieder, zu denen Holocaust-Überlebende zählen, laufen neben dem Kranz. Ihre Kinder und Enkelkinder entzünden die Kerzen, legen die Rosen daneben.

Den Kranz tragen unsere Gemeindemitglieder, die keine Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in der Friedrichstraße in Wiesbaden werden durften, da sie keine jüdische Mutter haben. Die so genannten „Vatersjuden“ sind für die orthodoxen Juden keine Juden.

Die „Vatersjuden“ legen den Kranz im Namen unserer ganzen jüdischen Gemeinde nieder als ein Symbol dafür, dass die Satzung der Weltunion der Progressiven Juden, deren Mitglied unsere Progressive Jüdische Gemeinde am Michelsberg ist, nun auch in Wiesbaden umgesetzt wird, da bei uns auch die Vatersjuden gleichberechtigte Gemeindemitglieder sind.

Es ist ein Zeichen dafür, dass das Progressive Judentum in Wiesbaden wieder erstanden ist.

Es ist aber auch unsere Botschaft an die Jüdische Gemeinde in der Friedrichstraße: Wir haben eine gemeinsame Geschichte und Kultur, unabhängig davon, ob wir eine jüdische Mutter oder einen jüdischen Vater haben. Lasst uns zusammenhalten.

Es ist unsere Erinnerung an die Stadt Wiesbaden: Die größte jüdische Gemeinde Wiesbadens vor der Schoah-Zeit hat die Reformsynagoge am Michelsberg errichtet. Diese wurde zerstört, aber wir, progressive Juden Wiesbadens, sind wieder da! Wir möchten das Progressive Judentum in Wiesbaden wieder sichtbar machen und brauchen die Unterstützung der ganzen Stadt.

Es ist unser Appell an alle in Deutschland lebenden Juden:
Deutschland ist die Wiege des progressiven Judentums. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Juden vor der Schoah-Zeit waren progressive Juden, die für die Anpassung der Religion an die Gegenwart, für Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter im Judentum plädiert haben, die durch ihre progressiven Ansichten vieles erreicht haben. Sie wurden vernichtet, die von ihnen erbauten Reformsynagogen wurden abgerissen, aber wir sind ihnen gegenüber verpflichtet, auch ihre Traditionen, die Traditionen des Progressiven Judentums, nicht zu vergessen, sondern weiter zu leben.

…Die Schweigeminute nach der Kranzniederlegung hat jeden bewegt…

Doch mit großer Hoffnung schauen wir in die Zukunft.

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